Dienstag, 10. Juli 2012

Krieg der Ökonomen

Ich bin derzeit ein wenig im Stress und kann daher immer nur in Ansätzen die aktuellen Ereignisse verfolgen. Was jedoch in den letzten Tagen ins Auge fiel, war ein Streit zwischen den Wirtschaftsprofessoren unserer Nation. Dabei wurde einem Teil der Elite der Zunft mitunter Inkompetenz, Nationalismus und Lesefaulheit vorgeworfen. Wohlgemerkt nicht nur von der Politik und den Medien, sondern auch von anderen Ökonomen.

Ich hatte in den letzten Jahren das Vergnügen einige der Unterzeichner in Ihren Vorlesungen zu erleben. Namentlich sind dies Prof. Dr. Christof Helberger, Prof. Dr. Frank Heinemann, Prof. Axel Werwatz Ph.D. und Prof. Dr. Georg Meran.

Erwähnt sei, dass Prof. Dr. Frank Heinemann und Prof. Axel Werwatz Ph.D. für die Beschlüsse des EU-Gipfels und Prof. Dr. Christof Helberger und Prof. Dr. Georg Meran gegen die Beschlüsse des EU-Gipfels protestiert haben.

Was man all diesen Herren mit Sicherheit nicht vorwerfen kann ist, dass sie nicht genau wissen was Sie dort unterschrieben haben oder in irgendeiner Weise nationalistisch oder inkompetent seien. Mir fallen diverse Anekdoten über einschläfernde Vorlesungen, sonderbare Hüftschwünge oder vermeintliche Waffennarrheit ein, aber Nichts was auf Inkompetenz schließen ließe.

Wie kommt es also, dass die Experten der Nation derart uneins sind in der Frage wie die Schuldenkrise zu lösen sei?

Die Antwort lautet: Die Volkswirtschaftslehre ist keine Wissenschaft der absoluten Wahrheit. Das Eurosystem ist in seiner jetzigen Form ein in der Geschichte einmaliges Gebilde, so dass es keine empirischen Erfahrungen gibt. Stattdessen kann ein Ökonom lediglich auf die Wirkung bekannter Einflussfaktoren zurückgreifen, um ungefähr abzuschätzen, welche Wirkung die aktuellen Maßnahmen entfalten.

Natürlich kann man den Fokus auf unterschiedliche Einflussfaktoren und Wirkungen legen. In der aktuellen Debatte relevant ist vor allem die Differenzierung zwischen langfristige Wirkung und kurzfristige Wirkung und die Differenzierung zwischen glaubhaften Verträgen von Seiten der Politik und unglaubhaften Verträgen.

Konkret heißt das: Für die Gruppe, der auch Herr Heinemann angehört steht derzeit die kurzfristige Stabilisierung der Banken und Staaten im Fokus, weil ein Scheitern zu extrem hohen volkswirtschaftlichen Kosten führen würde. Sie gehen zudem davon aus, dass die Politik Ihre Beschlüsse nicht maßgeblich revidieren wird und folglich eine Haftung für Banken fremder Länder auch in Zukunft ausgeschlossen bleibt.

Die andere Gruppe, die vor allem der Argumentation von Herr Sinn folgt, hat vor allem im Blick, dass Banken und Staaten scheitern können müssen , um langfristig bei Investoren und Gläubigern Anreize zu setzen, die eine Wiederholung einer solchen Krise wirksam verhindern.

Werden solche Anreize nicht gesetzt, wird davon ausgegangen, dass dies dazu animiert weiterhin leichtsinnig zu investieren bzw. unsolide zu haushalten, was nicht nur dazu führt, dass die Krise nicht zu Ende geht, sondern vor allem auch, dass die nächste Krise quasi schon vorprogrammiert ist, in der Heute getroffene Beschlüsse von der Politik weiter aufgeweicht werden, weil die Haftung für Staatsschulden und Bankschulden greifen „muss“.

Zeigen tut diese Divergenz vor allem eines: Die politische Wellnessliege wird so oder so noch lange einen Grund zum meckern haben ;).

Pro-Beschlüsse
Contra Beschlüsse

2 Kommentare:

  1. Anachronismus

    “Aus dem offenkundigen Versagen des historischen Liberalismus erwuchs die sozialistische Bewegung mit dem Ziel, die missbrauchten Freiheitsrechte einzuschränken zugunsten der Gesamtheit und besonders zugunsten der wirtschaftlich Schwachen. Diese Zielsetzung beruht jedoch auf einem Denkfehler; denn der historische Liberalismus versagte nicht, weil er zuviel, sondern weil er zuwenig Freiheit verwirklichte. Eine „freie Wirtschaft“ hat es im Liberalkapitalismus in Wahrheit nie gegeben, sondern nur eine vermachtete Wirtschaft: vermachtet durch Privatmonopole, durch den privaten Monopolbesitz von Grund und Boden und den Rohstoffen, durch das Geld- und Bodenmonopol, durch die Bildung von Syndikaten, Kartellen und Trusts. An die Stelle einer freien Konkurrenzwirtschaft trat die Herrschaft privater Wirtschaftsmächte, die durch ihre Maßnahmen weitgehend auch die Höhe von Preisen, Löhnen und Zinsen und damit das Wirtschaftsgeschehen insgesamt nach ihren Interessen bestimmen konnten.
    Die sozialistischen Bestrebungen laufen darauf hinaus, die liberalkapitalistische durch eine zentralgeleitete Wirtschaft, also die private durch eine staatliche Vermachtung und die Privatmonopole durch Staatsmonopole zu ersetzen. Das bedeutet nichts anderes, als dass die vielen erbarmungslosen Wirtschaftsdiktatoren, die sich immerhin noch durch einen letzten Rest von Konkurrenz gegenseitig in ihrer Macht beschränken, durch einen einzigen, ebenso erbarmungslosen, aber völlig unbeschränkten Wirtschaftsdiktator in Gestalt des Staates abgelöst werden. Dadurch kann sich die Lage der arbeitenden Menschen nur noch hoffnungslos verschlimmern, wie mannigfache geschichtliche Erfahrungen hinlänglich bestätigen.”

    Dr. Ernst Winkler (aus “Theorie der Natürlichen Wirtschaftsordnung”, 1952)

    Spätestens seit 1916 sind alle volkswirtschaftlichen Fragen restlos geklärt. Für Politik und Wirtschaft im 21. Jahrhundert bedeutet das: “…weder dem einen noch dem anderen sollte das Hauptinteresse oder gar das ausschließliche Interesse erwachsener, reifer Menschen gelten” (Zitat: Arthur C. Clarke). Dennoch verstehen die Allermeisten bis heute weder die einfache Ursache noch die einzig denkbare Lösung für die gegenwärtige “Finanzkrise” und lassen sich von “Spitzenpolitikern” und “Wirtschaftsexperten” beeindrucken, die außer Denkfehlern nichts gelernt haben.

    Die Ursache dieses Anachronismus ist die Religion, die vor Urzeiten erforderlich war, um den Kulturmenschen “wahnsinnig genug” für die Benutzung von Zinsgeld zu machen, damit das, was wir heute “moderne Zivilisation” nennen, überhaupt entstehen konnte:

    http://www.deweles.de/willkommen/cancel-program-genesis.html

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  2. Jetzt seh ich mich tatsächlich mal in der Position die Religion verteidigen zu müssen. Zinsen waren per päpstlichen Erlass im Christentum bis 1830 explizit verboten. Auch viele andere Religionen wie z. B. der Islam oder das Judentum kennen ein Zinsverbot.

    Mit anderen Worten man kann der Religion vieles vorwerfen, aber nicht das sie den Zins in irgendeiner Form befördert hätte.

    Was die These angeht, dass in der Volkswirtschaftslehre seit 1916 alles ergründet wurde, kann ich nur den Kopf schütteln. Die Idee des „Freigeldes“ von Silvio Gesell ist durchaus interessant und wurde und wird von vielen namenhaften Ökonomen als ein interessanter Ansatz gesehen. Aber zu behaupten, dass dieser Ansatz der einzig Richtige sei und alle anderen Systeme und Überlegungen lediglich Irrwege seien ist dann doch ziemlich dogmatisch…

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