Dienstag, 25. Oktober 2011

Wo bleibt die Kettenreaktion in der Eurokrise und was zum Geier ist ein Hebel?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass in den letzten 1,5 Jahren die Umschuldung Griechenlands immer wieder verworfen wurde aufgrund der Gefahr einer Kettenreaktion. Nun ist die Umschuldung von 60% quasi beschlossen und niemand redet mehr von der Kettenreaktion. Ich bin verwirrt.

Was ist also passiert? Es gibt 2 Szenarien.
1. Die Medien wurden aufgefordert zu schweigen. Dies ist schonmal geschehen und zwar kurz nach der Lehmanpleite etwa zu dem Zeitpunkt, als Frau Merkel die Einlagen der Sparer für sicher erklärte.
2. Das Ganze war lediglich heiße Luft und die Gefahr einer Kettenreaktion hat nie wirklich bestanden.

Traut man den Börsen, so entspricht Szenario 2 den Tatsachen. Dort bewegt sich derzeit nämlich schlicht nichts. Was angesichts vieler dunkler Wolken am Himmel erstaunlich ist. Die Umschuldung Griechenlands wird mit Verlusten bei den angeschlagenen französischen Banken einhergehen und das wo Frankreichs Bonität bereits auf dem Prüfstand steht. Es scheint jedoch, dass selbst hier die Auswirkungen nur marginal sein werden.

Haben die Institute also tatsächlich die Zeit nutzen können um die fraglichen Anleihen los zu werden? Hat das warten am Ende etwas gebracht?

Darüber sind sich derzeit offenbar alle im Unklaren. Fakt ist Frankreich wehrt sich massiv gegen die Umschuldung, steht damit jedoch auf verlorenem Posten. Fakt ist Frankreich kämpft dafür, dass seine Banken im Zweifel über den EFSF rekapitalisiert werden, so dass der französische Haushalt nicht weiter belastet wird. Fakt ist wenn Frankreich das Triple-A-Rating verliert brechen Rettungs-Modelle wie der EFSF und der ESM in sich zusammen. Fakt ist, dass dies niemand zu erwarten scheint.

Auch scheint niemand wirklich zu erwarten, dass eine Umschuldung Griechenlands sich negativ auf die anderen Kandidaten wie Portugal, Irland, Spanien und Italien auswirkt. Andererseits scheint der Bundestag sein OK zu einer Hebellösung beim EFSF geben zu müssen, was impliziert, dass eine neue Brandmauer für nötig befunden wird.

Man sollte derzeit sehr genau hinschauen. Die Ruhe, die die aktuellen gravierenden Entscheidungen begleitet, lässt nichts Gutes ahnen.

Apropos Hebel und EFSF: Das System dahinter scheint einigen unklar zu sein(behaupten zumindest diverse Moderatoren), daher hier ein kleiner Exkurs.

Der EFSF könnte eine Art Banklizenz bekommen. Banken gehen mit ihrem Geld wie folgt um:

Eine Bank leiht sich bei der Zentralbank z. B. 10.000€ und muss hiervon z.B. 1000€ als Sicherheit hinterlegen.

Die restlichen 9000€ werden an z. B. einen Händler für Massageliegen verliehen.

Diese Anleihe im Wert von 9000€ hinterlegt die Bank als Sicherheit wiederum bei der Zentralbank und erhält hierfür neues Geld, nämlich 9000€ wovon wiederum 900€ als Sicherheit hinterlegt werden müssen.

Die restlichen 8100€ kann die Bank wieder an den Händler für Massageliegen verleihen.

Das Spiel kann wird so weiter getrieben, so dass die tatsächliche Geldmenge nicht mehr wie ursprünglich 10.000€ sondern 100.000€ beträgt.

Was passiert nun, wenn das gesamte Geld an unseren Hersteller für Massageliegen verliehen wurde und der bankrott geht? Die Bank müsste für Schulden von 100.000€ aufkommen, kann dies jedoch nicht, wenn das ihr einziger Kunde war, so dass letztlich die Zentralbank den Schaden hat.

Natürlich ist der Schaden der Zentralbank unser Schaden, also der des Steuerzahlers. Ergo macht es nur aus haushaltsrechtlicher Sicht einen Unterschied, ob Deutschland den Rettungsschirm ausweitet oder einen Hebel zulässt.

Anders zu beurteilen ist hingegen eine Teilgarantie, die einen Ausfall bis zu einer gewissen Höhe deckt. Wenn also der EFSF Ausfälle bis zu 60% garantiert und der Schaden der darüber hinaus geht von Gläubiger getragen werden muss. Diese Option ist im Rahmen des (grundsätzlich anreiztechnisch negativ zu beurteilenden) EFSF tatsächlich sinnvoll. Allerdings handelt es sich auch hier um eine faktische Ausweitung der Belastung, da ein Ausfall von 100% extrem unwahrscheinlich ist, ein Ausfall von 60% hingegen durchaus üblich.

Aber ich fachsimpel zu viel…

Die alles entscheidende Frage lautet: Jetzt zur Bank rennen und das Geld retten? Die Antwort darauf ist: Noch nicht aber vielleicht bald. Wobei unter Umständen das dann auch nicht mehr hilft.

Bis nächste Woche ;) (falls es Europa dann noch gibt).

Nachtrag: Wie ich eben gelesen habe stimmt der Bundestag über 2 Optionen ab: Zum einen die Teilgarantie und zum anderen über ein Konstrukt mit dem handlichen Namen SPIV. Letzteres meint eine Art Gemeinschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), bei der der EFSF einen Teil des Grundkapitals stellt und darauf hofft, das weitere Investoren einsteigen. Dieses Konstrukt leiht dann Staaten Geld(Kauft Staatsanleihen) und versucht diese Anleihen gewinnbringend weiter zu verkaufen.

Das Modell orientiert sich also an der Funktionsweise von Hedgefonds, was nicht darüber hinweg täuschen sollte, dass das Haftungsrisiko bei dieser Lösung für den Steuerzahler defacto nicht erhöht wird. Aber wer würde schon in einen Hedgefond investieren, der nur Spanien oder Italienanleihen kauft? Um hierfür Investoren zu finden, müssen die Risiken der privaten Gläubiger eingegrenzt werden, womit wir wieder bei der Teilgarantie wären... Der Bundestag stimmt also zweimal über das Gleiche ab...

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